Kranke Psyche Nathanaels als posttraumatischer Stress
Man könnte sagen die Kindheit ist
das Wichtigste für die Entwicklung eines Menschen. Wenn die Entwicklungsumwelt
meistens nur Negatives für das Kind zu geben hat, kann das selbständige Leben
als Erwachsene sehr schwer werden. So ist es, nach meiner Interpretation, für
Nathanael, den Hauptcharakter im Hoffmanns Sandmann, gewesen. Meine
Interpretation ist, dass Nathanaels Trauma, das sich tragisch auf ihn
aufgewirkt hat, der Sandmann, beziehungweise Coppelius, bzw. die psychische
Krankheit des Vaters von Nathanael. Die kranke Psyche des Vaters hat das
Leben der ganzen Familie beherrscht. Nathanael erinnert sich die
Ereignisse seiner Kindheit in dem Brief an Lothar, Claras Bruder: ”An des Vaters
Schweigen, an der Mutter Traurigkeit merkte ich eines Abends, daß der Sandmann
kommen werde; ich schützte daher große Müdigkeit vor, verließ schon vor neun
Uhr das Zimmer und verbarg mich dicht neben der Türe in einen Schlupfwinkel.
Die Haustür knarrte, durch den Flur ging es, langsamen, schweren, dröhnenden
Schrittes nach der Treppe. Die Mutter eilte mit dem Geschwister mir vorüber.”
(http://www.gutenberg.org/cache/epub/6341/pg6341.html) Da Nathanael
noch ein kleines Kind war, konnte er nicht die schwierige Ereignisse in der
Familie gar nicht behandeln. Da war auch keiner, der ihm mit den schwierigen
Sachen geholfen hätte. Diese Ereignisse verursachen unauslöschliche Schaden für
Nathanaels Psyche. Deswegen gerät Nathanael in Psychosen in seinem Leben als
Erwachsen.
Nach meiner Interpretation,
Coppelius ist der kranke Vater Nathanaels. Das Kind, Nathanael, hat den kranken
Vater Coppelius genannt, weil Nathanael
nicht als Kind behandeln konnte, dass der kranke Mensch immer noch sein Vater
ist. Die Traumen des Vaters werden die Traumen des Sohns, wie es leider heute
noch im wirklichen Leben oft passiert. Der erwachsene Nathanael begegnet sich
mit dem schrecklichen Coppola, der wie ein Doppelgänger des Coppelius ist. Meine
Interpretation ist, dass Coppola der psychotische Nathanael ist.
Nathanaels zwei Lieben und was Liebe zur Maschinen verursachen kann
Meiner Meinung nach, zwei Figuren
spielen eine wichtige Rolle in dem Leben Nathanaels, wenn er Erwachsen ist. Das
sind zwei Frauen, seine Lieben – die mütterliche und vernünftige Clara und die
wunderschöne Puppe Olimpia. Clara ist das Gute im Nathanaels Leben. Sie liebt
ihn und kümmert sich um ihn. Clara versucht zu helfen, wenn Nathanaels Psyche keine
Balance findet. Clara schreibt an Nathanael: ”Gibt es eine dunkle Macht, die so recht
feindlich und verräterisch einen Faden in unser Inneres legt, woran sie uns
dann festpackt und fortzieht auf einem gefahrvollen verderblichen Wege, den wir
sonst nicht betreten haben würden - gibt es eine solche Macht, so muß sie in
uns sich, wie wir selbst gestalten, ja unser Selbst werden; denn nur so glauben wir an sie und räumen ihr den
Platz ein, dessen sie bedarf, um jenes geheime Werk zu vollbringen. Haben wir
festen, durch das heitre Leben gestärkten, Sinn genug, um fremdes feindliches
Einwirken als solches stets zu erkennen und den Weg, in den uns Neigung und
Beruf geschoben, ruhigen Schrittes zu verfolgen, so geht wohl jene unheimliche
Macht unter in dem vergeblichen Ringen nach der Gestaltung, die unser eignes
Spiegelbild sein sollte.” (http://www.gutenberg.org/cache/epub/6341/pg6341.html) Clara versucht zu
helfen, aber leider vergeblich. Nathanael ist sehr krank. Dies führt zur
tragischen Ende des Sandmanns.
Meine Interpretation ist, dass
Nathanaels traumatisierte Psyche wird noch traumatisierter durch die Beziehung
zum Roboter, der einer schönen Frau ähnelt und, für ihn zumindest wirklich,
Olimpia heisst. Nathanael verliebt sich in den Automat, der nie etwas
gegen ihn sagt oder tut. Nathanaels Glaube an die echte Frau,
Olimpia, dauert lange. Irgendwann ist seine Psyche dann mehr in Balance und er
erlebt Ereignisse, die ihm klar machen, dass Olimpia ein Automat ist.
Nathanaels Liebe zum Automat
ähnelt meiner Meinung nach dem Stereotyp eines Schul- oder Familienmörders: ein
Mensch, der vielleicht zu schwierige Sachen in seiner Kindheit begegnen musste
und keine professionelle Hilfe rechtzeitig bekommen hat. Ein Problem führt zu einem anderen. Der
Mensch gerät in einen Teufelskreis der Probleme und wird ausgeschlossen. Zum
Beispiel: die Kontakte zu anderen Menschen werden immer weniger, weil der
Mensch wegen seiner Probleme keine Lust mehr zu sozialen Kontakte hat. Dies führt zur soziale Isolation. Der
Mensch wird depressiv und frustriert und die einzige Kontakt, die er hat, ist vielleicht
der Computer und vielleicht gesichtslose Menschen irgendwo hinter ihren
Computern mit gleichen Probleme. Die Menschen in der realen Welt werden Feinde.
Auch Nathanael vergass seine Familie und Freunde, als er Olimpia gefunden
hatte: ” Nathanael hatte rein vergessen, daß es eine Clara in der
Welt gebe, die er sonst geliebt; - die Mutter - Lothar - alle waren aus seinem
Gedächtnis entschwunden, er lebte nur für Olimpia, bei der er täglich
stundenlang saß und von seiner Liebe, von zum Leben erglühter Sympathie, von
psychischer Wahlverwandtschaft fantasierte, welches alles Olimpia mit großer
Andacht anhörte. Aus dem tiefsten Grunde des Schreibpults holte Nathanael alles
hervor, was er jemals geschrieben. Gedichte, Fantasien, Visionen, Romane,
Erzählungen, das wurde täglich vermehrt mit allerlei ins Blaue fliegenden
Sonetten, Stanzen, Kanzonen, und das alles las er der Olimpia stundenlang
hintereinander vor, ohne zu ermüden.” (http://www.gutenberg.org/cache/epub/6341/pg6341.html)
Wenn Nathanael sich in Olimpia verliebt, begegnet er sich gleichzeitig
mit einem anderen Figur, dem abscheulichen Wesen, Coppola. Diese zwei ”irrationale”
Figuren im Nathanaels Leben – Olimpia und Coppola – sind ein Zeichen der
kranken Psyche Nathanaels. Nach meiner Interpretation, Nathanaels Psyche zeigt
Zeichnen von Heilung, wenn ihm nach einer Zeit (ein wenig) klar wird, dass Olimpia
keine echte Frau ist. Und weil gleichzeitig auch noch Coppola verschwundet und
Nathanael zu Clara zurückkehrt, interpretiere ich, dass es Nathanael ein
bisschen besser geht. Aber Nathanaels seelische Wunden sind zu schwer, was zur
tragischen Ende des Sandmanns führt. Nathanael begegnet sich mit Coppelius –
mit seinem Schicksal, der auch Schicksal seines Vaters war.
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